Bürokratieabbau - Viertes Bürokratieentlastungsgesetz und Verordnungsentwurf

Durch die vorgelegten Entwürfe setzt die Bundesregierung Vorgaben aus dem Koalitionsvertrag und Teile des „Meseberger Bürokratieabbaupaketes“ um.

I. Gesetzentwurf der Bundesregierung zum BEG IV Der Deutsche Bundestag hat sich am 17. Mai 2024 erstmals mit dem Entwurf der Bundesregierung zum „Vierten Gesetz zur Entlastung der Bürgerinnen und Bürger, der Wirtschaft sowie der Verwaltung von Bürokratie“ (Viertes Bürokratieentlastungsgesetz – BEG IV) befasst.

Der Entwurf sieht u. a. Änderungen des Handelsgesetzbuchs, der Abgabenordnung und des Umsatzsteuergesetzes vor, die die Aufbewahrungsfrist für Buchungsbelege im Handels- und Steuerrecht einheitlich von zehn auf acht Jahre verkürzen.

Der digitale Wandel soll durch die Absenkung von Formerfordernissen im Zivilrecht gefördert werden. Dies soll ermöglichen, viele Rechtsgeschäfte künftig ohne Medienbrüche digital abzuwickeln. Im Arbeitsrecht soll die Schriftform im Nachweisgesetz sowie bei der Erteilung von Arbeitszeugnissen nach § 109 GewO durch die elektronische Form nach § 126a BGB ersetzt werden können.

Für Arbeitnehmer, die in Branchen nach § 2a Absatz 1 Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz (SchwarzArbG) tätig sind, soll die Pflicht zur Schriftform erhalten bleiben.

II. Stellungnahme des Bundesrates zum BEG IV Der Bundesrat hatte bereits Ende April zum Gesetzentwurf Stellung genommen. Der Bundesrat unterstützt das Ziel der Bundesregierung, unnötige Bürokratie abzubauen. Dennoch kritisierte er den Entwurf als nicht weitreichend genug und machte umfassende Änderungs- und Ergänzungsvorschläge; darunter z. B.:

Im Nachweisgesetz wird unter Verweis auf die zugrundeliegende europäische Richtlinie die umfassende Einführung der Textform (statt der Schriftform) gefordert. Darüber hinaus bittet der Bundesrat zu prüfen, ob (z. B. in § 126b BGB) eine allgemeine Regelung dazu getroffen werden sollte, welche Anforderungen für einen Vertragsschluss in Textform gelten sollen.

Neben Vorschlägen zu Änderungen im Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) , wie z. B. zur Klarstellung der fachlichen Grundlage der Elterngeldberechnung (§ 2c Absatz 1 Satz 4 BEEG) fordert der Bundesrat Erleichterungen bei den Aufzeichnungs- und Dokumentationspflichten nach dem MiLoG im Rahmen der Mindestlohndokumentationspflichtenverordnung. Insbesondere sollten Unternehmen, die Haus- oder Branchentarifverträge anwenden, von der Aufzeichnungs- und Dokumentationspflicht ausgenommen werden. Bezüglich der Aushangpflichten bundesgesetzlicher Vorschriften im Arbeitsverhältnis sollen weitere Erleichterungen geprüft werden.

III. Gegenäußerungen der Bundesregierung zum BEG IV Anfang Mai hatte das Bundeskabinett Stellung zu den Forderungen des Bundesrats bezogen und Änderungen am Gesetzentwurf angekündigt:

Danach sollen Arbeitgeber den Nachweis der wesentlichen Vertragsbedingungen künftig in Textform (§ 126b BGB) erbringen können. Das Dokument müsse aber für den Arbeitnehmer zugänglich sein, gespeichert und ausgedruckt werden können. Zudem muss der Arbeitgeber einen Übermittlungs- oder Empfangsnachweis erhalten. Arbeitnehmer sollen aber weiterhin den Nachweis der wesentlichen Vertragsbedingungen in Schriftform (§ 126 BGB) verlangen können.

Branchen nach § 2a Abs. 1 SchwarzArbG sollen weiterhin von der Textform ausgenommen bleiben. Hier gilt weiterhin die Schriftform.

Die Forderung des Bundesrates, eine gesetzliche Regelung für einen Vertragsabschluss in Textform ins BGB aufzunehmen, weist die Bundesregierung als nicht notwendig zurück, da die Regelungen über den Vertragsschluss in Schriftform (§ 126 Abs. 2 BGB) entsprechend angewendet werden könnten.

Den Gesetzentwurf, die Stellungnahme des Bundesrates sowie die Gegenäußerung der Bundesregierung finden Sie auf der Internetseite des Bundestages .

IV. Verordnungsentwurf zur Bürokratieentlastung Ergänzend zum BEG IV hat das Bundesministerium der Justiz (BMJ) am 23. Mai 2024 einen Verordnungsentwurf zur Entlastung der Bürgerinnen und Bürger, der Wirtschaft sowie der Verwaltung von Bürokratie (Bürokratieentlastungsverordnung BEV) vorgelegt.

Die BEV sieht neben dem Abbau von Anzeigen- und Mitteilungspflichten auch die Förderung der Digitalisierung sowie Verfahrenserleichterungen und Rechtsbereinigung vor.

Beispielsweise sollen durch Änderungen in der Außenwirtschaftsverordnung die Schwellenwerte für die Meldungen im Kapital- und Zahlungsverkehr angehoben werden, wodurch statistische Meldepflichten abgebaut werden. Dadurch soll der Erfüllungsaufwand für die Wirtschaft reduziert werden.

Den Verordnungsentwurf sowie eine Synopse finden Sie auf der Internetseite des BMJ .

V. Bewertung des BVDM Die Erkenntnis, dass Bürokratieabbau notwendig ist, ist ein erster Schritt in die richtige Richtung. Allerdings greifen die geplanten Reformen zu kurz.

So entsprechen beispielsweise die mit der Gegenäußerung der Bundesregierung angekündigten Änderungen nach Einschätzung des BVDM nicht der im März angekündigten umfassenden Textform im Nachweisgesetz. Die vorgesehene Regelung bringt für die Praxis nur teilweise Erleichterungen. Der Ausschluss von Arbeitnehmern, die in einer Branche nach dem Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz tätig sind, widerspricht dem Digitalisierungsanspruch der Bundesregierung.

Bereits im Februar 2024 hatte der BVDM in einer Stellungnahme gegenüber dem Justizministerium zum Gesetzentwurf insgesamt darauf hingewiesen, dass die darin vorgesehenen Einzelmaßnahmen nicht ausreichen (siehe Anlage ). Es bedarf vielmehr systematischer Ansätze, um insbesondere KMU von überbordender Bürokratie zu entlasten. Dies ist vor dem Hintergrund, dass die wachsende EU-Gesetzgebung, zuletzt etwa die Wertschöpfungskettenrichtlinie sowie die Entwaldungsverordnung, zu weiteren erheblichen Belastungen für KMU führt, besonders wichtig.

1. Hinweis des BVDM zu den Auswirkungen des Gesetzes auf das Schriftformerfordernis im Arbeitsrecht

Vor dem Hintergrund der geplanten Erleichterungen im NachweisG ist zu berücksichtigen, dass im Arbeitsrecht unabhängig davon weiterhin die Schriftform erforderlich sein kann. Dazu zählt die Befristung eines Arbeitsvertrages , die nach § 14 Abs. 4 TzBfG zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform bedarf. Dies betrifft auch Arbeitsverträge, die Regelungen zu Altersgrenzen bzw. zur Beendigung bei Erreichen der Regelaltersgrenze beinhalten, was bei der überwiegenden Zahl der Fall ist.

Gleiches gilt bei nachvertraglichen Wettbewerbsverboten , bei denen laut § 74 Abs. 1 HGB die Schriftform vorgesehen ist.

Diese Schriftform kann zwar durch die elektronische Form ersetzt werden (§ 126 Abs. 3 BGB). Eine E-Mail z. B. genügt insoweit jedoch nicht. Vielmehr ist eine qualifizierte elektronische Signatur nach § 126 a Abs. 1 BGB erforderlich. Diese muss gemäß der EU-Verordnung über elektronische Identifizierung und Vertrauensdienste für elektronische Transaktionen (eIDAS-Verordnung) auf dem Zertifikat eines qualifizierten Vertrauensdiensteanbieters beruhen und von einer sicheren Signaturerstellungseinheit erstellt werden. Eine Übersicht der deutschen qualifizierten Vertrauensdiensteanbieter und weitere Informationen zur eIDAS-Verordnung finden Sie auf der Internetseite der Bundesnetzagentur .

Inwieweit solche Zertifizierungsdienste bisher privat durch Arbeitnehmer genutzt werden, ist fraglich, daher wird es in vielen Fällen bei der Schriftform bleiben.

Daher sollten Unternehmen sorgfältig prüfen, ob und inwieweit eine Umstellung der Arbeitsverträge auf die elektronische Form sinnvoll ist.

2. Auswirkungen auf Zustellunternehmen

Nach dem Gesetzentwurf sollen Branchen nach dem SchwarzArbG von der Textform im Nachweisgesetz ausgenommen werden, so dass insoweit weiterhin die Schriftform gilt.

Hier stellt sich die Frage, ob auch Zeitungszusteller sowie Verwaltungsmitarbeiter der Vertriebsgesellschaften/Zustellagenturen dem in § 2a Abs. 1 Nr. 4 SchwarzArbG geregelten Speditions-, Transport- und Logistikgewerbe zugeordnet werden.

Diese Frage wird bereits im Zusammenhang mit Aufzeichnungspflichten nach dem Mindestlohngesetz diskutiert, ist bisher aber noch nicht abschließend geklärt.

VI. Ausblick Nach der Anhörung im Rechtsausschuss am 5. Juni 2024 wird sich der Bundestag in einer zweiten und dritten Lesung wieder mit dem Gesetz befassen.

Über die weiteren Entwicklungen im Gesetzgebungsverfahren sowie die wesentlichen Inhalte des sodann beschlossenen Gesetzes werden wir Sie informieren.

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