Aktuelle Entscheidungen der Arbeitsgerichte
Zuletzt gab es aus arbeitsrechtlicher Sicht einige wegweisende Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts (BAG) oder der Landesarbeitsgerichte (LAG). Anschauliche Beispiele der derzeitigen Gesetzgebungen, die wir für Sie zusammengestellt haben.
Entscheidung 1
„Das Amt des Betriebsratsvorsitzenden ist mit dem Amt des Datenschutzbeauftragten nicht vereinbar“
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat am 6.6.2023 entschieden (9 AZR 383/19), dass die beiden vorgenannten Funktionen Aufgaben beinhalten, die im Hinblick auf einen effektiven Datenschutz nicht ohne Interessenkonflikt auszuüben sind. Daher könne eine Bestellung zum Beauftragten für Datenschutz widerrufen werden.
Der Beauftragte für den Datenschutz muss auf die Einhaltung des BDSG aF und anderer Vorschriften über den Datenschutz hinwirken. Dies gelte – so das BAG – vor allem für Datenverarbeitungsprogramme, mit deren Hilfe personenbezogene Daten verarbeitet werden. Diese Programme müssen überwacht werden. Darüber hinaus müssen Mitarbeitende, die derartige Programme „bedienen“, d.h. im Bereich der Verarbeitung personenbezogener Daten tätig sind, durch geeignete Maßnahmen mit den besonderen Erfordernissen des Datenschutzes vertraut gemacht werden. In Art. 39 Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) sind dem Datenschutzbeauftragten zahlreiche weitere Aufgaben zugewiesen, so z.B. die Unterrichtung und Beratung von Beschäftigten, die Verarbeitungen durchführen, Art. 39 Abs. 1 a DSGVO, die Überwachung der Einhaltung der Datenschutzvorschriften der Europäischen Union, Art. 39 Abs. 1 b DSGVO und die Beratung im Zusammenhang mit der Datenschutz-Folgenabschätzung (Art. 39 Abs. 1 c DSGVO), die Zusammenarbeit mit Aufsichtsbehörden (Art. 39 Abs. 1 d DSGVO und die Tätigkeit als Anlaufstelle für die Aufsichtsbehörde, Art. 39 Abs. 1 e DSGVO.
Diese umfangreichen Aufgaben und Pflichten sind mit dem Amt eines Betriebsratsvorsitzenden nicht vereinbar, so das BAG.
Entscheidung 2
„Eine verspätete Auskunftserteilung ist kein immaterieller Schaden gem. Art. 82 Abs. 1 DSGVO“
Das Landesarbeitsgericht (LAG) Baden-Württemberg hat am 27.7.2023 entschieden (3 Sa 33/22), dass eine verspätete Auskunftserteilung im Rahmen von Art. 15 Abs. 1 DSGVO keinen immateriellen Schaden darstellt. Ein bloßer Verstoß gegen die Bestimmungen der Datenschutzgrundverordnung begründet keinen Schadensersatzanspruch gem. Art. 82 Abs. 1 DSGVO. Der mit dem Verstoß gegen diese Verordnung einhergehende „Kontrollverlust“ -bezogen auf die eigenen Daten – führe nicht zwangsläufig auch zu einem Schaden, der ersetzt werden muss. Das Landesarbeitsgericht hat darüber hinaus entschieden, dass ein Antrag nach Art. 15 Abs. 1 Satz 1 HS 2 DSGVO bestimmt sein muss; ein Antrag dahingehend, dass über „sämtliche personenbezogenen Daten“ Auskunft verlangt wird, genügt diesem Bestimmtheitsgrundsatz im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO nicht.
Entscheidung 3
„Anspruch auf Entfernung einer Abmahnung aus der Personalakte nach Beendigung eines Arbeitsverhältnisses“
Das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg hat am 28.7.2023 entschieden (9 Sa 73/21), dass ein Arbeitnehmer nach Beendigung seines Arbeitsverhältnisses die Entfernung einer Abmahnung seiner Personalakte verlangen könne; die Grundlage für diesen Anspruch ergebe sich aus Art. 17 Abs. 1 DSGVO. Danach müsse der Verantwortliche für personenbezogene Daten diese auf Verlangen unverzüglich löschen, wenn die personenbezogenen Daten für die Zwecke, für die sie erhoben oder auf sonstige Weise verarbeitet wurden, nicht mehr notwendig sind (Art. 17 Abs. 1 a DSVG). Nach Beendigung eines Arbeitsverhältnisses seien daher Abmahnungen, die ein Fehlverhalten im Rahmen eines bestehenden Vertrages gerügt haben und eine Warnfunktion hinsichtlich einer etwaigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses beinhalten, nicht mehr notwendig.
Andere Gericht vertreten hier eine andere Auffassung:
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat entschieden, dass der Arbeitnehmer nach einer Beendigung seines Arbeitsverhältnisses nur dann einen Anspruch auf Entfernung einer Abmahnung (gem. §§ 242, 1004 Abs. 1 S. 1 BGB) aus seiner Personalakte geltend machen kann, wenn es objektive Anhaltspunkte dafür gibt, dass die Abmahnung für den Arbeitnehmer noch schädlich sein kann (Entscheidung vom 17.11.2016, 2 AZR 730/15. Diese Voraussetzungen muss der Arbeitnehmer darlegen und beweisen, was im Einzelfall sehr schwer sein dürfte.
Das Landesarbeitsgericht in Niedersachsen (LAG) hat sich dieser Rechtsprechung angeschlossen (Entscheidung vom 4.5.2021, 11 Sa 1180/20). Das Gericht weist in seiner Entscheidung darauf hin, dass datenschutzrechtliche Änderungen im Zusammenhang mit der DSGVO bei in klassischer Papierform geführten Personalakten zu keiner Änderung der Sach- und Rechtslagen führen.
Eine andere Auffassung vertritt hingegen das LAG in Hamm (Entscheidung vom 13.9.2022, 6 Sa 87/22). Ein Anspruch auf Entfernung einer Abmahnung aus der Personalakte bestehe gem. Art. 17 DSGVO. Der Anspruch folge auch bereits aus der Nichterfüllung des behaupteten materiellen Anspruchs. Der Arbeitnehmer müsse in seinem Prozess nicht darlegen, dass objektive Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Abmahnung ihm auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch schaden könne.