Kündigung wegen beleidigender Äußerungen in einer WhatsApp-Gruppe
Ein Arbeitnehmer, der sich in einer aus sieben Mitgliedern bestehenden privaten Chatgruppe in stark beleidigender, rassistischer, sexistischer und zu Gewalt aufstachelnder Weise über Vorgesetzte und andere Kollegen äußert, kann sich gegen eine dies zum Anlass nehmende außerordentliche Kündigung seines Arbeitsverhältnisses nur im Ausnahmefall auf eine berechtigte Vertraulichkeitserwartung berufen.
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hatte am 24.08.2023 über eine fristlose Kündigung wegen beleidigender und menschenverachtender Äußerungen über Betriebsangehörige in einer WhatsApp-Gruppe zu urteilen.
Sachverhalt
Der 50-jährige, verheiratete und zwei minderjährigen Kindern zum Unterhalt verpflichtete Kläger war bei der Beklagten zuletzt als Gruppenleiter Lager Logistik beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis war nach den anzuwendenden tariflichen Regelungen ordentlich unkündbar. Der Kläger gehörte einer WhatsApp-Gruppe ursprünglich bestehend aus ihm und fünf weiteren Mitarbeitern der Beklagten an. Später wurde ein ehemaliger Kollege als weiteres Mitglied aufgenommen. Zwei Mitglieder der WhatsApp-Gruppe waren Brüder. Alle Mitglieder der Gruppe waren untereinander langjährig befreundet. Auszüge aus dem Chatverlauf wurden von einem Gruppenmitglied an einen Mitarbeiter der Beklagten, der nicht Mitglied der WhatsApp-Gruppe war, weitergegeben. Im weiteren Verlauf wurde ein 316-seitiges Worddokument mit dem Inhalt des Chatverlaufs für die Zeit vom 19.11.2020 bis 17.01.2021 dem Personalleiter der Beklagten zugespielt. Der Chatverlauf enthielt beleidigende, rassistische und menschenverachtende Äußerungen über Betriebsangehörige und Aufrufe zur Gewalt.
Das Landesarbeitsgericht (LAG) bestätigte das klagestattgebende Urteil des Arbeitsgerichts (ArbG). Aus Sicht des LAG konnten die Äußerungen des Klägers in der der Chatgruppe die außerordentliche Kündigung nach § 626 Abs. 1 BGB nicht rechtfertigen, denn die Äußerungen seien Bestandteil einer vertraulichen Kommunikation zwischen den Teilnehmern der Chatgruppe und genießen als solche verfassungsrechtlichen Schutz, der dem Schutz der Ehre der durch die Äußerungen betroffenen Person vorgehe.
Entscheidung des BAG
Die Revision der beklagten Arbeitgeberin hatte vor dem 2. Senat des BAG Erfolg. Das BAG hat das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache an das LAG zurückverwiesen. Nach der Entscheidung des BAG sei eine Vertraulichkeitserwartung des Klägers nur dann berechtigt, wenn die Mitglieder der Chatgruppe den besonderen persönlichkeitsrechtlichen Schutz einer Sphäre vertraulicher Kommunikation in Anspruch nehmen können. Dies wiederum sei abhängig vom Inhalt der ausgetauschten Nachrichten sowie der Größe und personellen Zusammensetzung der Chatgruppe. Sind Gegenstand der Nachrichten beleidigende und menschenverachtende Äußerungen über Betriebsangehörige, bedürfe es einer besonderen Darlegung, warum der Arbeitnehmer berechtigt erwarten konnte, deren Inhalt werde von keinem Gruppenmitglied an einen Dritten weitergegeben.
Bewertung der Entscheidung
Der Entscheidung des BAG ist zuzustimmen. Äußerungen in größeren Chatgruppen mit wechselnden Mitgliedern bei Messengerdiensten wie WhatsApp, Telegramm, Sigma etc. sind nicht ohne Weiteres als vertraulich anzusehen. Zum einen sind die Chatverläufe dauerhaft auf den Handys der Teilnehmer gespeichert und beliebig reproduzierbar. Einzelne Nachrichten oder auch der gesamte Chatverlauf können einfach, ohne dass dies von den Mitgliedern der Gruppe wahrgenommen wird, an andere Personen außerhalb der Gruppe weitergeleitet werden. Ein Chatverlauf in einer Gruppe ist daher nicht mit der Flüchtigkeit des gesprochenen Wortes vergleichbar. Eine berechtigte Vertraulichkeitserwartung kann sich nach der zutreffenden Entscheidung des BAG daher nur aus besonderen Umständen im Einzelfall ergeben. Hierfür trägt der klagende Arbeitnehmer zu Recht die Darlegungs- und Beweislast.